Nomenklatur, Definition Und Differenzierung Der Schockformen

Hintergrund: Allen Schockformen ist ein gravierendes Missverhältnis von O2-Angebot und O2-Bedarf gemeinsam. Vorgestellt werden eine neugestaltete und klinisch orientierte Systematik der verschiedenen Schockformen und deren therapeutische Implikationen.

Methode: Selektive Literaturrecherche (1990–2018) in PubMed und Berücksichtigung von Leitlinien und Metaanalysen.

Ergebnisse: Es wurden nur vier Hauptgruppen gebildet, die je einem von vier Organsystemen zugeordnet werden. Der hypovolämische Schock bezieht sich auf das Blut- und Flüssigkeitskompartiment und der distributive Schock auf das Gefäßsystem. Beim kardiogenen Schock ist primär das Herz und beim obstruktiven Schock das Kreislaufsystem betroffen. Dem hypovolämischen Schock liegt ein intravasaler Volumenverlust zugrunde, der durch balancierte Kristalloide substituiert wird. Dagegen handelt es sich beim distributiven Schock um eine relative Hypovolämie infolge einer pathologischen Verteilung des intravasalen Volumens, die mit einer Kombination aus Vasokonstriktoren und Volumenersatz therapiert wird. Der kardiogene Schock wird durch eine ungenügende Herzleistung ausgelöst, die durch medikamentöse, operative und interventionelle Therapie verbessert werden muss. Beim obstruktiven Schock erfordert die widerstandsbedingte Minderperfusion eine sofortige lebensrettende Intervention.

Schlussfolgerungen: Die neue Einteilung soll die zielgerichtete Behandlung des Schocks im präklinischen und klinischen Bereich erleichtern, wobei sich innerhalb der jeweiligen Schockgruppe einheitliche Therapiemaßnahmen festlegen lassen.

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Während das Hauptaugenmerk in der Beschreibung des Schocks ursprünglich ausschließlich auf dem traumatisch-hämorrhagischen Schock lag, erfolgte später eine Differenzierung in fünf Schockformen (1). Auch wenn alle Schockformen letztlich in die gemeinsame Endstrecke eines Multiorganversagens als Folge der Imbalance zwischen O2-Bedarf und O2-Angebot münden können, erscheint aufgrund ihrer unterschiedlichen Pathogenese und Pathophysiologie eine geänderte Klassifikation nicht nur aus didaktischen Gründen, sondern insbesondere auch im Hinblick auf die unterschiedlichen therapeutischen Maßnahmen bei den verschiedenen Schockformen notwendig. Die neue Klassifikation erhebt keinen bindenden Anspruch, und die therapeutischen Effekte sind in aller Regel zunächst nur auf die Wiederherstellung der Vitalfunktionen, insbesondere einer mit dem Überleben vereinbaren Kreislauffunktion beschränkt.

Aus den genannten Erwägungen umfasst die neue Klassifikation nur vier Hauptgruppen:

  • hypovolämischer Schock
  • distributiver Schock
  • kardiogener Schock
  • obstruktiver Schock.

Wobei der hypovolämische Schock vier Untergruppen und der distributive Schock drei Untergruppen einschließt. Der obstruktive Schock wurde als eigenständige Schockform aufgenommen. Auch wenn die vorliegende Nomenklatur und Einteilung schematisch ist und gewisse Schnittmengen zwischen den Hauptgruppen umfasst, lassen sich diesen vier Hauptgruppen schwerpunktmäßig vier Organsysteme zuordnen (Grafik 1), die aufgrund der jeweils unterschiedlichen Pathogenese und Pathophysiologie einer gruppen- beziehungsweise organspezifischen Therapie bedürfen (Grafik 2):

  • Blut- und Flüssigkeitskompartiment
  • Gefäßsystem
  • Herz
  • Kreislaufsystem.
Synopse der vier Klassen der Schockformen Grafik 1 Synopse der vier Klassen der Schockformen Bild vergrößern Alle Bilder Algorithmus zur Differenzialdiagnostik als therapeutische Basis für die verschiedenen Schockformen Grafik 2 Algorithmus zur Differenzialdiagnostik als therapeutische Basis für die verschiedenen Schockformen Bild vergrößern Alle Bilder

Aufgrund der Schwierigkeit der Durchführung prospektiv-randomisierter Studien an Schockpatienten, stützen sich die therapeutischen Empfehlungen größtenteils auf Leitlinien und Registerstudien. Wo vorhanden, wurde der Grade of Recommendation (GoR) aus den Leitlinien angegeben. Wenn kein Empfehlungsgrad angegeben wird, handelt es sich um eine Empfehlung der Autoren (eTabelle 1). Die Effekte der vorgestellten Interventionen in Bezug auf das Überleben und das behinderungsfreie Überleben sind teilweise nicht stark.

Definition der Empfehlungsgrade eTabelle 1 Definition der Empfehlungsgrade Bild vergrößern Alle Bilder

Lernziele

Der Leser soll nach der Lektüre des Beitrags:

  • die neue Klassifikation der Schockformen kennen
  • die unterschiedliche Pathogenese und Pathophysiologie der vier Hauptgruppen des Schocks verstehen
  • Kenntnisse der unterschiedlichen therapeutischen Ansätze der verschiedenen Schockformen erworben haben.

Hypovolämischer Schock

Der hypovolämische Schock ist ein Zustand unzureichender Durchblutung von Organen aufgrund eines meist akuten intravasalen Volumenverlustes. Es resultiert eine kritisch verminderte kardiale Vorlast und eine Reduktion von Makro- und Mikrozirkulation mit negativen Folgen für den Gewebestoffwechsel und Auslösung einer Entzündungsreaktion.

Der hypovolämische Schock unterteilt sich in vier Untergruppen (2):

  • hämorrhagischer Schock infolge akuter Blutung ohne wesentliche Gewebeschädigung
  • traumatisch-hämorrhagischer Schock infolge akuter Blutung mit Gewebeschädigung und zusätzlicher Freisetzung von Aktivatoren des Immunsystems
  • hypovolämischer Schock im engeren Sinne infolge einer kritischen Abnahme des zirkulierenden Plasmavolumens ohne akute Blutung
  • traumatisch-hypovolämischer Schock infolge kritischer Abnahme des zirkulierenden Plasmavolumens ohne akute Blutung durch Gewebeschädigung und Freisetzung von Mediatoren.

Pathogenese und Pathophysiologie

Blutungen kennzeichnen den hämorrhagischen und traumatisch-hämorrhagischen Schock. Unterschiedlich ist das Ausmaß der Gewebeläsion. Die klinisch relevantesten Ursachen des hämorrhagischen Schocks sind akute Blutungen durch isolierte Verletzung eines größeren Blutgefäßes, gastrointestinale Blutungen, nicht-traumatische Gefäßrupturen (Aortenaneurysma), Blutungen in der Geburtshilfe (zum Beispiel postpartale Atonie) und im Hals-, Nasen-, Ohren-Bereich (Gefäßarrosionen). Schockauslöser ist die kritische Abnahme des zirkulierenden Blutvolumens, ein massiver Verlust von Erythrozyten verstärkt die Gewebehypoxie.

Der traumatisch-hämorrhagische Schock weist im Unterschied dazu zusätzlich ein erhebliches Gewebetrauma mit einer Aggravierung des Schocks auf. Typisches Beispiel dieser Schockform ist das Polytrauma, am häufigsten durch Verkehrsunfälle und Stürze aus großer Höhe verursacht. Diffuse Blutungen, Hypothermie, insbesondere ≤ 34 °C, und Azidose bewirken vital bedrohliche Gerinnungsstörungen (3, 4). Das Gewebetrauma führt zur postakuten Inflammation, die diesen Prozess weiter verstärkt. Auf mikrozirkulatorischer Ebene verursachen Leukozyten-Endothel-Interaktionen (5) und eine Destruktion der endothelial-membrangebundenen Proteoglykane und Glykosaminoglykane eine mikrovaskuläre Dysfunktion mit Capillary-Leak-Syndrom. Intrazellulär entsteht eine metabolische Imbalance (6) mit möglicher mitochondrialer Schädigung (7) und negativem Einfluss auf die Vasomotorik (8).

Hypovolämischer Schock im engeren Sinne und traumatisch-hypovolämischer Schock weisen relevante Flüssigkeitsverluste ohne Blutung auf.

Der hypovolämische Schock im engeren Sinne entsteht durch äußere oder innere Flüssigkeitsverluste und eine inadäquate Flüssigkeitszufuhr. Ursachen sind Hyperthermie, anhaltendes Erbrechen und Diarrhö (beispielsweise Cholera) sowie nicht kompensierte renale Verluste (zum beispiel Diabetes insipidus, hyperosmolares diabetisches Koma). Die Sequestration großer Flüssigkeitsmengen in das Abdomen zum Beispiel bei Ileus oder Leberzirrhose führt ebenfalls zur Reduktion des zirkulierenden Plasmavolumens. Der pathologisch erhöhte Hämatokrit und Leukozyten- und Thrombozyten-Interaktionen verschlechtern die rheologischen Eigenschaften des Blutes zusätzlich und können auch nach einer Schockbehandlung zu persistierenden Organschäden („No-Reflow“-Phänomen) führen.

Die typische Ursache des traumatisch-hypovolämischen Schocks sind großflächige Verbrennungen, Verätzungen und tiefreichende Cutisläsionen. Durch das Trauma werden zusätzlich die Gerinnungskaskade und das Immunsystem aktiviert, was die bestehende Beeinträchtigung der Makro- und Mikrozirkulation potenziert. Die inflammatorische Reaktion führt zu Endothelschäden, vergrößert das Capillary-Leak-Syndrom und verursacht gravierende Koagulopathien (9, 10).

Vorsichtige Rückschlüsse auf die Häufigkeit des traumatisch-hypovolämischen und traumatisch-hämorrhagischen Schocks lassen sich möglicherweise aus dem Traumaregister der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie ziehen. Im Jahresbericht 2017 hatten von 40 836 Patienten 27 147 (66 %) einen maximalen Schweregrad der Verletzungen von AIS 3 („abbreviated injury score“) oder mehr, 10 639 (26 %) waren lebensgefährlich verletzt (ISS, „injury severity score“ ≥ 11), woraus sich etwa eine Patientenzahl von 30 000/Jahr errechnen lässt. Die Inzidenz der gastrointestinalen Blutungen liegt bei etwa 100 000/Jahr, wovon grob geschätzt 10 000 einen hypovolämischen Schock erleiden. Somit ergeben sich unter Berücksichtigung der restlichen Untergruppen des hypovolämischen Schocks etwa 50 000 Patienten/Jahr (Tabelle 1).

Relative Häufigkeiten der unterschiedlichen Schockformen Tabelle 1 Relative Häufigkeiten der unterschiedlichen Schockformen Bild vergrößern Alle Bilder

Therapie

Die präklinische und klinische Therapie des hypovolämischen Schocks besteht in der unverzüglichen intravasalen Volumensubstitution mit balancierten Kristalloiden (GoR: B) über großlumige periphere Venenzugänge und bei Hämorrhagie in der raschen Blutstillung (Tabelle 2). Zur Vermeidung oder Beseitigung einer Hypoxie erfolgt in der Regel eine endotracheale Intubation und Normoventilation (GoR: A). Das Ausmaß des Blutverlustes kann näherungsweise mithilfe des ATLS-Scores (ATLS, „advanced trauma life support“) eingeschätzt werden (11). Bei traumatologischen Patienten mit Schock sollte ein direkter Transport in ein Traumazentrum erfolgen (GoR: B).

Die chirurgische Versorgung erfolgt zeitnah unter Anwendung der sogenannten „Damage-Control-Technik“ (12). Bei fortbestehender Hypotension sollte, insbesondere beim Schädel-Hirn-Trauma, ein Vasokonstriktor (zum Beispiel Noradrenalin) verabreicht werden, um einen systolischen arteriellen Blutdruck (systolic arterial blood pressure [SAP]) von ≥ 90 mm Hg zu erreichen (GoR: B) (13).

Bei kontrollierbaren Blutungen bis unterhalb alters- und komorbiditätsspezifischer Hb-Grenzwerte werden Erythrozytenkonzentrate (EK) transfundiert. Bei unkontrollierter Blutung sollen unabhängig vom aktuellen Hb-Wert frühzeitig EK, FFP und TK transfundiert werden. Bei traumatischen und peripartalen Blutungen soll zusätzlich frühzeitig 1–2 g Tranexamsäure verabreicht werden (GoR: A) (14–16). Die multidisziplinäre Therapie umfasst die zeitnahe Stabilisierung der Gerinnung mittels Gerinnungsfaktoren entweder in Form von Einzelfaktoren oder als Fresh Frozen Plasma (FFP) sowie die chirurgische Vermeidung weiterer Blutverluste (17).

Bei Schuss- oder Stichverletzungen der Körperhöhlen oder einem rupturierten Aortenaneurysma wird der Blutdruck bis zur Blutstillung im Sinne einer permissiven Hypotension (SAP = 70–80 mm Hg) mit Noradrenalin-Infusion und nur moderater Volumensubstitution stabilisiert (GoR: B) (13).

Bei größeren Verbrennungen kann die modifizierte Brooke-Formel in den ersten 24 h einen Anhalt für die benötigte Volumensubstitution geben (18).

Distributiver Schock

Der distributive Schock stellt eine relative Hypovolämie infolge einer pathologischen Umverteilung des absoluten intravasalen Volumens und die häufigste Schockform dar (Tabelle 1). Ursachen sind entweder ein Verlust der Steuerung des Gefäßtonus mit Verschiebung des Volumens innerhalb des Gefäßsystems und/oder eine Permeabilitätsstörung des Gefäßsystems mit Verschiebung des intravasalen Volumens in das Interstitium. Die drei Untergruppen sind der septische, der anaphylaktisch/anaphylaktoide und der neurogene Schock.

Septischer Schock

Eine Sepsis ist nach den aktuell gültigen Sepsis-III-Kriterien als fehlregulierte Körperantwort auf eine Infektion mit lebensbedrohlichen Organdysfunktionen definiert. Diese werden anhand einer Zunahme des SOFA (Sequential Organ Failure Assessment)-Scores um ≥ 2 Punkte (eTabelle 2) charakterisiert und quantifiziert (19). Im Rahmen einer Notfallversorgung kann zum Screening auch der „Quick-SOFA Score“ (qSOFA) herangezogen werden. Dieser erfordert lediglich eine orientierende Untersuchung des Bewusstseinszustandes, der Atemfrequenz und des Blutdrucks. Sind diese Parameter pathologisch verändert (Bewusstseinstrübung, Atemfrequenz ≥ 22/min, systolischer Blutdruck ≤ 90 mm Hg) und liegt ein Infektionsverdacht vor, kann von einer Sepsis ausgegangen werden (20).

SOFA (Sequential Organ Failure Assessment)-Score als Grundlage für die Definition der Sepsis entsprechend Konsens der ESICM (European Society for Intensive Care Medicine) eTabelle 2 SOFA (Sequential Organ Failure Assessment)-Score als Grundlage für die Definition der Sepsis entsprechend Konsens der ESICM (European Society for Intensive Care Medicine) Bild vergrößern Alle Bilder

Ein Laktatwert von > 2 mmol/L und eine persistierende Hypotonie, die den Einsatz von Vasopressoren notwendig macht, um den mittleren arteriellen Blutdruck (MAP) > 65 mm Hg zu halten, definieren den septischen Schock (21). Eine Hypovolämie als alleinige Ursache der Kreislaufinsuffizienz muss zum Beispiel durch Echokardiografie ausgeschlossen werden (19, 21).

Pathogenese und Pathophysiologie

Patienten über 65 Jahre, mit Immunsuppression oder malignen Grunderkrankungen sind überproportional häufig betroffen. Die Entzündungsantwort ist bei manchen Patienten nur gering oder gar nicht ausgeprägt (19, 22, 23). In Deutschland erkranken etwa 280 000 Patienten pro Jahr an einer Sepsis, die Inzidenz steigt jährlich um 5,7 %, die Letalität ist im Zeitraum von 2007 bis 2013 von 27,0 % auf 24,3 % gesunken (20). Rund 35 % dieser Patienten erleiden einen septischen Schock, wodurch sich eine Anzahl von etwa 100 000 Patienten/Jahr ergibt (Tabelle 1).

Pathophysiologisch steht die endotheliale Dysfunktion im Zentrum, die zu einer fehlregulierten Steuerung des Gefäßtonus mit Vasodilatation, Verteilungsstörungen und Volumenverschiebungen in der Makro- und Mikrozirkulation sowie einer Erhöhung der vaskulären Permeabilität (Cappillary-Leak-Syndrom) führt (22–25). Oft liegen zusätzlich biventrikuläre myokardiale Funktionsstörungen im Sinne einer septischen Kardiomyopathie vor (26), die zur Sterblichkeit der Patienten beitragen (26, 27). Der septische Schock ist eine Mischform verschiedener Pathologien (Hypovolämie, Vasodilatation, kardiale Funktionsstörungen und mitochondriale Dysfunktion) mit regelhaft komplexen Gerinnungsstörungen (22–25).

Therapie

Neben einer erhöhten Aufmerksamkeit und einer raschen Diagnosestellung erfordert der septische Schock eine kreislaufunterstützende Therapie mit balancierten kristalloiden Infusionslösungen (GoR: A), Vasopressoren (Noradrenalin, gegebenenfalls Vasopressin) und bisweilen auch Inotropika (zum Beispiel Dobutamin) sowie Organersatzverfahren (GoR: B) (Tabelle 1). Zur differenzierten Therapie der hämodynamischen Störungen ist ein erweitertes invasives Monitoring indiziert. Eine wichtige Bedeutung hat hier die Echokardiografie (22, 24, 28). Bei allen Sepsispatienten müssen schnellstmöglich, nach Materialgewinnung zur mikrobiologischen Untersuchung, eine kalkulierte Breitspektrumantibiose und (sofern möglich) eine Fokussanierung als kausale Therapie eingeleitet werden (GoR: A) (29). Auch nichtinfektiöse Erkrankungen mit ausgeprägter Mediatoraktivierung (zum Beispiel akute Pankreatitis) können in ein dem septischen Schock ähnliches Krankheitsbild münden. Ursächlich hierfür ist die Aktivierung derselben Mediatorkaskaden durch nicht-infektiöse molekulare Signale einer Gewebeschädigung (22).

Das toxische Schocksyndrom („toxic-shock-syndrome“, [TSS]) ist pathophysiologisch und pathogenetisch dem septischen Schock verwandt und durch die Leitsymptome Fieber, gravierende Hypotension und Exanthem gekennzeichnet. Auslöser sind zumeist Toxine bestimmter Staphylokokken. Die Inzidenz beträgt 0,5/100 000, die Letalität 2–11 %. Die Therapie entspricht der des septischen Schocks.

Anaphylaktischer und anaphylaktoider Schock

Der anaphylaktische Schock ist eine Histamin-vermittelte massive Vasodilatation und Verteilungsstörung, die durch eine Verschiebung von intravasalem Volumen nach extravasal gekennzeichnet ist.

Pathogenese und Pathophysiologie

Anaphylaxie ist eine akute, systemische Reaktion, die zumeist durch IgE-abhängige Hypersensitivitätsreaktionen vermittelt wird. Mastzellen und das von ihnen freigesetzte Histamin spielen die zentrale Rolle. Die Inzidenz anaphylaktischer Reaktionen beträgt 50 pro 100 000/Jahr und ist für etwa 1 % der Notaufnahmen verantwortlich. Die Lebensprävalenz wird mit 0,5–2 %, die Mortalitätsrate mit 2–20 % angegeben. Unter der vorsichtigen Annahme, dass 10 % dieser Patienten einen Schock erleiden, ergibt sich eine Anzahl von 8 000 Schockpatienten im Jahr. Bei Kindern sind Nahrungsmittel die häufigsten Auslöser (58 %), bei Erwachsenen Insektengifte (55 %, davon 70 % Wespen- und 20 % Bienenstiche) sowie Medikamente (21 %, davon 2/3 durch Diclofenac, ASS und Antibiotika, 1 % durch ACE-Hemmer oder Betablocker). Verstärkende Faktoren können physische Anstrengung, Stress und akute Infekte sein.

Der anaphylaktoide Schock beruht auf physikalisch, chemisch oder osmotisch bedingten, IgE-unabhängigen Überempfindlichkeitsreaktionen. Die Mediator-Freisetzung erfolgt aus Mastzellen und basophilen Granulozyten unabhängig von einer Antigen-Antikörper-Reaktion oder vorausgehender Sensibilisierung. Ein typischer Auslöser sind Röntgenkontrastmittel.

Das klinische Bild variiert interindividuell stark je nach Dosis und Eintrittsort des Antigens und dem Grad der Sensibilisierung. Initial können Hauterscheinungen, abdominale Symptome oder auch respiratorische Beschwerden im Vordergrund stehen. Anaphylaktische Reaktionen können spontan zum Stillstand kommen oder trotz adäquater Therapie progredient verlaufen. Thrombembolische Ereignisse werden bei letal verlaufender Anaphylaxie ebenso häufig beobachtet wie Arrhythmien und ventrikuläre Dysfunktion (30).

Therapie

Patienten mit schweren anaphylaktischen Reaktionen sind kontinuierlich zu überwachen, da sich Spätreaktionen mit Arrhythmien, myokardialer Ischämie oder respiratorischer Insuffizienz noch bis 12 Stunden nach dem initialen Ereignis manifestieren können. Medikamentös sind beim anaphylaktischen Schock insbesondere die Gabe von Adrenalin (gegebenenfalls Noradrenalin) und eine forcierte Volumensubstitution erforderlich [31]). Bei Bronchospasmus sind β-Sympathomimetika und an 2. Stelle Glukokortikoide indiziert (ebenso bei verzögert-progredient verlaufender Symptomatik) (31). Histaminantagonisten unterdrücken die histaminergen Wirkungen (Tabelle 2). Die Therapie des anaphylaktoiden Schocks entspricht der des anaphylaktischen Schock

Neurogener Schock

Beim neurogenen Schock handelt es sich um eine Imbalance zwischen sympathischer und parasympathischer Regulation der Herzaktion und der Gefäßmuskulatur. Im Vordergrund steht eine ausgeprägte Vasodilatation mit relativer Hypovolämie bei zunächst unverändertem Blutvolumen.

Pathogenese und Pathophysiologie

Die zugrundeliegenden Pathomechanismen lassen sich drei Gruppen zuordnen (eGrafik):

  • direkte Schädigung der Zentren für die Kreislaufsteuerung durch Kompression (Hirnstammtraumen), Ischämie (zum Beispiel Thrombose der A. basilaris) oder medikamentöse Einflüsse
  • alterierte Afferenzen zum Kreislaufzentrum in der Medulla oblongata durch Angst, Stress und Schmerz oder fehlgesteuerte N.-vagus-Reflexe
  • Unterbrechung der absteigenden Verbindung von den bulbären Steuerungszentren zum Rückenmark, insbesondere bei Traumen oberhalb der mittleren Brustwirbelsäule (Querschnittsyndrom).
Pathomechanismus beim neurogenen Schock eGrafik Pathomechanismus beim neurogenen Schock Bild vergrößern Alle Bilder

Rückenmarksverletzungen sind mit 15–20 % die häufigste Ursache (32), vor operativen Eingriffen im Lumbalbereich (33). Ein neurogener Schock kann bei zerebralen Ischämien, Subarachnoidalblutungen, Meningitiden, seltener unter oder nach epileptischen Anfällen, schnell aufsteigendem Guillain-Barré-Syndrom, Pandysautonomie und zerebraler Einklemmung entstehen. Gelegentlich tritt bei Stress, starken Schmerzzuständen oder sogar nach einem Karate-Kick ein neurogener Schock auf.

Der neurogene Schock ist gekennzeichnet durch den plötzlichen Abfall des SAP

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